Die Geschichte des Frankfurter CSD

Während der Ursprung aller CSD- und Pride-Veranstaltungen ins Jahr 1969 zurückreicht – dem Jahr, in dem sich in der New Yorker Bar „Stonewall Inn“ vor allem Drag Queens und Transsexuelle gegen Polizeirazzien wehrten – findet die deutsche Schwulenbewegung im Jahr 1979 in Frankfurt ihren ersten Höhepunkt.

„Homolulu“ lautete das Festivalmotto einer von vornehmlich linken Studentengruppen organisierten Aktionswoche. Mit Workshops, Diskussionsforen und einer Demo in schrillen Kostümen auf der Zeil wurde homosexuelles Selbstverständnis gefeiert. Nach dem legendären Fest im Jahre 1979 wurde es ruhiger um die Bewegung – die Aids-Krise der 80er Jahre ist sicherlich einer der Gründe dafür.

Erst 1992 startet die kontinuierliche Geschichte des Frankfurter CSDs wie man ihn heute kennt – wobei 1992 alles noch ganz anders war als man es heute kennt: Der erste Frankfurter „CSD“ fand in der Klingerstraße statt. Vor den Türen des Lesbisch-schwulen Kulturhauses (LSKH) organisierte die „Dachorganisation der für die Interessen homosexuell orientierter Menschen arbeitenden Vereine“ ein Solidaritätsfest für Lesben und Schwule als Abschlussveranstaltung einer Aktionswoche.

Bei „Homosolidarität“, so der Name des Fests, war echte Handarbeit gefragt: Parolen wurden auf Betttücher gemalt, eine Bühne u. a. aus Bierkisten improvisiert, die Musik schepperte aus einem Kassettenrekorder und Nudelsalat wurde in einer Baby-Badewanne serviert. Rund 1.000 Besuchende zählte das erste Fest.

Das Interesse an der „Homosolidarität“ wuchs: Bereits 1994 war das Fest so groß geworden, dass der nächste Schritt anstand: Der Umzug auf die Konstablerwache im Jahr 1995. Der erste Konstablerwache-CSD hieß „Gay Live“ – kein Tippfehler, der Titel sollte verdeutlichen, dass sich hier Lesben und Schwule „live“ treffen.

Nach einem kurzen Ausflug 2008 auf die Hauptwache, dem Rossmarkt, dem Goethe- und Rathenauplatz, kehrt der CSD 2009 wieder zurück auf die Konstablerwache als Festplatz.

Der CSD 2009 wird zum ersten Mal von Anika Pilger in Eigenregie, als Kopf der Gütlich Event Agentur, organisiert. Zuvor hatte Rainer Gütlich sich gut 16 Jahre um die Organisation des CSD Frankfurt gekümmert und ihn vom kleinen, ehrenamtlich organisierten Straßenfest zum dreitägigen Community-Event aufgebaut – organisiert von einer eigens dafür gegründeten Event-Agentur. Bereits 2008 hatte Rainer Gütlich beschlossen, sich aus der aktiven CSD-Organisation zurückzuziehen und Anika Pilger zu seiner Nachfolgerin zu machen.

Unerwartet für alle nahm Rainer Gütlich sich in der Nacht vom 26. auf den 27.06.2009 das Leben – drei Wochen vor dem CSD-Wochenende. In einer bewegenden Gedenkveranstaltung als Abschluss des CSD-Wochenendes nahm das Team und die Community Abschied.

Anika Pilger sah sich 2012 mit massiven Problemen konfrontiert:  Zum einen arbeitete der CSD seit Jahren defizitär, was nach der Veranstaltung 2011 erstmals bedrohlich wurde, zum anderen wuchs der organisatorische Druck des Mega-Events.

So schaffen über 50 Lieferanten Event-Equipment für Standbetreiber und Veranstalter in rund 500 Arbeitsstunden an. Fast 30 Tonnen Bühnentechnik werden in 28 Stunden auf- und in 10 Stunden wieder abgebaut – für 32 Stunden Bühnenshow. 4.443 m Stromkabel und über 1 km Wasserleitung müssen verlegt werden. Der CSD verschlingt ca. 148.000 Liter Wasser und 5806 kWh Strom (das ist mehr, als ein Einfamilienhaus im Jahr verbraucht). Rund 100 Standbetreiber und 50 Zulieferer müssen koordiniert und mit Infos versorgt werden. Für die Demo müssen 40 Wagen und 4.000 Fußgänger mit 15 “Demo- Engeln” koordiniert und durch 90 Ordner gesichert werden. Über 1.500 Arbeitsstunden arbeitet das STAFF-Team vor Ort. Während des CSD werden an den Ständen der Wirte, der Infostraße und an der Tombola von über 200 Menschen rund 10.000 Arbeitsstunden geleistet.

Ein neues Konzept für die Organisation des CSD musste her: Ein Team aus zwölf CSD-erfahrenen Männern und Frauen wurde im Frühling 2012 zusammengestellt.  Zusätzlich wurde die Gütlich Event Agentur durch den „Förderverein Zukunft Spenden“ als offizieller Veranstalter des Communityfestes ersetzt, was eine finanzielle Entlastung bedeutete. Der Förderverein war bereits Jahre zuvor gegründet worden, um Benefizveranstaltungen und Spenden für den CSD zu beschaffen. Innerhalb kürzester Zeit musste das neue Team nun den CSD organisieren. Um dem drohenden Aus des CSD entgegenzuwirken, wurden kurzerhand die Veranstalter Claudia Bubenheim und Ralf Bareuter in den Vorstand aufgenommen und verschiedene Community-Aktionen zur Rettung des CSDs gestartet. Mit vereinten Kräften gelang es schließlich, den 20. CSD Frankfurt trotzdem noch stattfinden zu lassen – und finanziell sogar ein Plus zu erwirtschaften. Seit 2012 ist der Förderverein der offizielle Ausrichter des CSD Frankfurt.

2014 wurde der Verein in „CSD Frankfurt e.V.“ umbenannt.

Zum „harten Kern“ des Orga-Teams gehören heute rund 20 Mitglieder, der Vorstand setzt sich 2017 zusammen aus Anika Pilger, Claudia Bubenheim, Stefan Spengler, Britta Helfrich, Uwe Koppers und Joachim Letschert.

Mit dem 24. CSD in Frankfurt sollte dieser nun auch endlich seinen Skandal bekommen, wie man bisher eher mal aus Berlin kannte. Hintergrund war der Aufruf gegen rechte Gesinnung mit einem polarisierenden Schlachtruf. „Lieb geil!“ sollte es zum diesem CSD in Frankfurt ertönen und damit in Anlehnung an die dunkelste Vergangenheit Deutschlands verdeutlichen, dass rechte und rechtsextreme Gesinnung wieder hoffähig zu werden schien. Erfunden hat’s die Frankfurter Klasse, ein Frankfurter Comedy-Duo, das auch gleich die dazugehörige Figur mitlieferte. Ein Hitler in rosafarbener Uniform und amerikanischem Akzent sollte während des CSDs auftreten und der rechten Gesinnung zeigen, was von ihr zu halten war. Die Kampagne wurde durchaus goutiert, allerdings auch wortreich abgelehnt. Einige Gruppen sagten die Teilnahme an der CSD Demonstration ab und warfen dem CSD vor, die Opfer des Nationalsozialismus zu verhöhnen. Ein sogenannter Shitstorm in den sozialen Medien wurde entfacht und als schließlich gedroht wurde, die Demonstration einzukesseln, sollte sie unter diesem Motto laufen, zogen die Veranstalter die Reißleine.

Zum einen stand zu befürchten, dass der CSD zu einem Sicherheitsrisiko wurde und erste Standbetreiber*innen drohten mit Absage. Zum anderen aber war es dem Verein wichtig, die Ängste und Sorgen der Community ernst zu nehmen. So entschied man sich schnell, inhaltlich beim Motto zu bleiben und änderte es in „Liebe gegen rechts“. Positiv bleibt zu bemerken, dass es selten eine derartige, zudem hitzige Diskussion um und über den CSD gegeben hatte. Der Empfang im Römer fiel, ebenso wie die Demonstration, größer denn je aus. Das Wichtigste aber war die Erkenntnis, dass die Community immer noch in der Lage war, miteinander zu streiten, um anschließend auch wieder gemeinsam auf die Straße zu gehen.

„Grenzen überwinden – Brücken schlagen“ lautet seit 2014 das übergreifende, allgemeine Motto des CSD Frankfurt.

Jedes Jahr werden zusätzlich thematische Schwerpunkte gesetzt – 2017, im 25. Jahr des CSD Frankfurt, kommentiert „Bunte Vielfalt, statt braune Einfalt“ das politische und gesellschaftliche Rollback. Die Mottofindung wurde erstmals komplett öffentlich durchgeführt. Neben der im September 2017 anstehenden Bundestagswahl war vor allem die am 30.06.2017 überraschend vom Bundestag beschlossene „Ehe für alle“ das bestimmende Thema der Demo und der Polit-Diskussionen des CSD.