2004 – Gestern allein – heute stark – morgen?

Der CSD – zum 10. Mal auf der Konstablerwache !

Das waren noch Zeiten. Hausgemachter Bauernsalat, mitgebracht in einer Babybadewanne, und ein Kassettenrecorder, der an einen Lautsprecher geklemmt worden war, bildeten das Herzstück der Homoparty. Auf der Bühne, aus 4 Bohlen und sechs Bierkisten gebastelt, klampften Kampflesben, malträtierten aufstrebende Rockbands aus der Junghomogruppe die Gehörgänge des spärlichen Publikums, salbaderte eine Bewegungsschwester mit mehr oder weniger Inbrunst, und auf einem ausrangierten Betttuch standen Parolen. Eine einsame Regenbogenfahne – gab es die da eigentlich schon in Frankfurt? – flatterte etwas schüchtern im Wind.
So ungefähr muss er ausgesehen haben, der Vorläufer des CSD in Frankfurt Oder? Ach, ist ja auch egal. Jedenfalls wurden die Homos irgendwann selbstbewusst und mutig, – vereinzelte Obrigkeiten nannten es auch „frech“ – und verlangten nach einem anderen Veranstaltungsort für ihren mittlerweile zum CSD avancierten Feiertag. Sie beanspruchten doch tatsächlich Öffentlichkeit, Wahrnehmung und Fläche. Was lag näher, als sich einen Platz mitten in der Innenstadt auszugucken, der nah genug an der Szene lag. Die Konstablerwache rückte in den Blikkpunkt schwul-lesbischer Begehrlichkeiten. Und dort findet er nun schon zum zehnten Mal statt, der CSD. Mittlerweile an drei Tagen. Und füllt diesen eigentlich tristen und wenig ansprechenden Teil der Innenstadt mit Menschen, Musik und guter Laune. Anfangs wollten die einen oder anderen Schwulen nicht kommen zurn Fest, man hätte sie ja sehen und erkennen können… Mitten auf der Konsti… Die Lesben waren sowie so skeptisch. Ein Fest mit lauter Männern? liiegitt! Damals wurde der Hessische Rundfunk gebeten, doch ein bisschen Werbung für das Homofest zu machen und die Heten einzuladen, mit den Homos mal ein Bierchen zu zischen, von wegen kennen lernen und so. Die Heten aber hatten Angst, mit den Homos gesehen zu werden, könnte ja einer denken sie wären auch… Heute gibt es sogar Betriebsausflüge zum CSD, das AfterWork-Bierchen oder -Sektchen wird auf der Konsti bei den Homos geschlürft und der hr darf schon lange keine Werbung mehr machen, weil der Veranstalter befürchtet, dass bald mehr Heten als Homos auf dem Platz sind.
Freitags kommen Trucks, Menschen und bunte Fahnen. Da werden Zelte aufgebaut, Bierwagen rangiert, Stände zusammen gezimmert und dann ist er da, der CSD. Und mit ihm Musik, gute Laune und Homos bis zum Abwinken. Homo-Power, Lesben- Power, Musik-Power. Sichtbarkeit und Manifest. Wir sind hier! Wir sind Dueer!! Und daSamstags ist die Konsti Zielpunkt für die Demoparade. Mit Bassgedröhn, Trommeln, Trillerpfeifen und Regenbogenfahnen. Ein buntes, alters-loses Völkchen, schrill gestylt und gut schräg drauf. Anschließend hageln von der Bühne die Statements, politische Bekenntnisse, Willenserklärungen und Forderungen. Die Lieblinge der warmen Gemeinschaft treten dort auf, mit und ohne Pudel. Sänger und solche, die es erst noch werden wollen. Rosa und Lila Chöre, Heten, die das Homopublikum nicht scheuen. Dann fliegen schwarze Ballons und es wird auf einmal ganz still über dem Platz. So still, dass selbst der Straßenverkehr innezuhalten scheint. Die Schweigeminute. Oft kopiert. Nie erreicht. Am Sonntag erwacht der Platz erst langsam. Die ersten, die den Sonntag morgen vom CSD mehr lieben als alles andere, lassen sich auf den Bänken nieder und die Erlebnisse des Vortages Revue passieren. CSD-Sonntag, das ist schwul-lesbischer Familientag, da sind sie unter sich und die Heten größtenteils zu Hause, Dann geht es noch einmal zur Sache, werden die letzten Bierfässer angeschlossen, die neue Liebe besiegelt, die Verabredungen für nächstes Jahr getroffen. Bis dann, nachts um drei alles wieder so ist, wie am vergangenen Donnerstag. Konsti, mon amour. Beim CSD bist du schön. Und ist er vorbei, dann bleibt die Erinnerung, die sich mischt mit neuen anderen Erinnerungen an die warmen Tage im Juli der vergangenen Jahre. und die Freude auf den 11. CSD auf der Konsti im nächsten Jahr.

Käthe Fleckenstein