GayLive – Die Spuren, die Folgen
Vielleicht wird dieses, das 3. GayLive, das letzte sein. Nicht das letzte Lesben- und Schwulenfest in Frankfurt — es gibt zur Zeit drei, die regelmäßig stattfinden. Doch vielleicht wird es das letzte seiner Art und mit Sicherheit das letzte einer sprichwörtlich gewordenen Ära.
Dennoch besteht kein Anlaß, die Köpfe hängen zu lassen, gar dieses 3. GayLive als Requiem seiner selbst zu feiern. Frankfurt Community e.V., der Veranstalter, besteht weiterhin. Außerdem ist Frankfurt zwar heute nicht die Avantgarde der Lesben- und Schwulenbewegung; die sucht man besser in Berlin, London, Köln oder New York. Doch so untypisch diese bescheidene Selbsteinschätzung für unser Städtchen klingen mag, so typisch ist das Auf und Ab, das unbeirrte Suchen nach dem eigenen Weg, dem eine liebenswerte, undeutsche Unüberschaubarkeit, ja manchmal ein fast mediterraner Genuß am Chaos anhaftet. Lesben und Schwule werden also bestimmt auch in Zukunft weiterhin öffentlich feiern, nur vielleicht — wieder einmal — ganz anders als in diesem Jahr …
1979 war’s, als die Schwulen in Frankfurt zum ersten Mal feiernd das Licht der Sonne suchten, beim denkwürdigen HOMOLULU. Das war der Aufbruch für ganz Deutschland, und die 2.000 Teilnehmer galten als eine atemberaubende Zahl. Beim kurzen Streifzug durch die Annalen ohne Anspruch auf Vollständigkeit erscheint 1982 als nächstes Festjahr:
Die altehrwürdige SchwuF, die Schwulengruppe Frankfurt, veranstaltete eine Fahrraddemo mit angeschlossenem Fest.
1983 lud dann eine „Initiativgruppe Lesben- und Schwulen-Treff“, heute als Emanzipation e.V. bekannt, zum lesbisch-schwulen Sommerfest. Ab 1986 finden sich die Vorläufer der Kulturwoche Homosolidarität im Kalender: die Lesbenwoche des Frauen- und Lesben-Referates der Uni und die erste „Schwule Woche Frankfurt“, veranstaltet vom Uni-Schwulenreferat.
Im Herbst 1987 rückten Schwule zum ersten Mal auf die Konstablerwache vor, damals noch im Schutz eines Zeltes, was, wie der Name des Festes — „Warm Up“ — wohl auch der Jahreszeit zuzuschreiben war. 1989 stand die „Schwule Woche“ bereits geschichtsbewußt unter dem Motto:
„10 Jahre nach HOMOLULU“, und die Demo durch die Stadt hieß zum ersten Mal: „Solidarität der Uneinsichtigen“. Ein „Gay Life“ (mit f !) gab es bereits 1991: die „schwul-lesbischen Kulturtage Darmstadt“.
1991 feierte auch das frisch gegründete Lesbisch Schwule Kulturhaus die erste HOMOSOLIDARITÄT mit einem Mikro-Straßenfest auf einer abgesperrten Fahrspur in der Alten Gasse vor dem Switchboard.
Ab 1992 fand das Frankfurter lesbisch-schwule Straßenfest in der Klingerstraße vor dem LSKH statt, 1993 zum erstenmal unter der „Regie“ eines Einzelkämpfers, dessen Name heute die erwähnte Ära umschreibt. 1994 bereits war die Klingerstraße zu klein, eine Seitenstraße mußte einbezogen werden. 1995 schließlich hieß das Fest „GayLive“, Frankfurt Community e.V. trat als Veranstalter auf, und mit der Location Konstablerwache und der Dauer von erstmals zwei Tagen spiegelte es ein neues Selbstbewußtsein wider.
GayLive hat 1996 Ziele erreicht – und wird sie wohl auch in diesem Jahr wieder erreichen – an die „Vormütter“ bei
HOMOLULU wohl nicht im Traum gedacht hätten: 30 bis 40.000 Besucherinnen, zwei Tage auf einem zentralen Platz der Stadt, ohne Behinderung durch die Behörden oder nennenswerten Widerstand seitens der Hetero-Mitbürger, mit offenen, neutralen Berichten in allen Medien von HR bis FAZ – ein Stück Selbstverständlichkeit für Frankfurt, bei dem wir nicht vergessen sollten, daß lesbisch-schwule Unbeschwertheit auch 1997 schon in Fulda, Marzahn oder München an ihre Grenzen stößt.
Einige der 97er Selbstverständlichkeiten wären 79 wohl auch auf Unverständnis, ja Ablehnungen gestoßen. Eine Schande, daß auf einem Fest knapp 20 Jahre nach HOMOLULU profitgierige Wirte Bier und andere Getränke feilbieten! Daß die Veranstalter technokratischreaktionäres Profitdenken vor profunde inhaltliche Diskussion z.B. über die zulässigen Farben der Lautsprecherkabel (rot oder schwarz) setzen! Daß die Künstlerinnen auf der Bühne zum Teil tatsächlich singen können, und die politischen Aussagen der von den DJs aufgelegten Platten meist im Dunkel bleiben! Daß man(n) der Polizei und sogar Lesben — oder: Lesben und sogar der Polizei — die Teilnahme erlaubt!
Jede Zeit hat ihre eigenen Feste. So wenig GayLive ohne HOMOLULU möglich gewesen wäre, so wenig kann man 97 in 79 zurückverwandeln. Eines allerdings stimmt 97 traurig – auch und gerade uns von Frankfurt Community: Während wir mit unserer Arbeit die Freiheiten nutzen, die die Bewegung(en) der Lesben und Schwulen in den 28 Jahren seit Stonewall erkämpft haben, wissen andere damit nichts mehr anzufangen. Und diese anderen sind nicht in der Menge derer zu suchen, die ein, zwei Tage einfach feiern wollen — meist wohl wissend, daß auch 1997 Schwul- und Lesbischsein an 363 Tagen im Jahr noch kein Honiglecken ist. Diese anderen, die so gerne die unpolitische Haltung der Szene beklagen, vergessen, daß Veränderungen zu allen Zeiten nur durch konkretes Handeln, nie durch Klagen aus dem Elfenbeinturm zustande kamen.
Der „Generationswechsel“ nach diesem 97er Fest bietet jedenfalls allen, die anscheinend seit Jahren voller Respekt das Ende der „Ära Gütlich“ abwarten, die Möglichkeit, in Zukunft einen neuen, besseren CSD zu feiern. Wir als Frankfurt Community e.V. jedenfalls machen weiter und freuen uns auf neue Mitstreiterinnen.
Vielleicht ist es aber auch die Perspektive verklärter Erinnerungen, die GayLive als einen so unwürdigen Nachfolger von HOMOLULU erscheinen läßt. Wie beobachtete doch die Frankfurter Rundschau: „Schwulen-Demonstration mobilisierte weniger als die Unterhaltung“ in der Überschrift, und weiter: „Viel Freude am Fest, aber keine neuen politischen Forderungen/Spruch von der ‚toten‘ Szene blieb ein Scherz“. Dieser Bericht zu „Warm Up“ erschien am 2.11.87 …
Seid echt lesbisch und echt schwul — be gay live!
Frankfurt Community e.V.